Krankenhaus-Beirat: So sehen die weiteren Schritte zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung aus
Lindau (Bodensee) - Der Krankenhausbeirat des Landkreises Lindau hat sich erneut intensiv mit der Gesundheitsversorgung befasst. Besonders im Fokus stand die medizinische Situation im Westallgäu nach der Schließung der Rotkreuzklinik in Lindenberg sowie die nächsten Schritte nach der Absage des Landes Baden-Württemberg für einen gemeinsamen, länderübergreifenden Klinikstandort.
An der Sitzung nahmen neben Vertretern der Asklepios Klinik und der Oberschwabenklinik auch niedergelassene Ärzte, Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns sowie des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit teil. Zudem war der Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands Lindau für den Rettungsdienst anwesend. Die Generaloberin der Schwesternschaft vom Bayerischen Roten Kreuz nahm ebenfalls teil.
Herausforderungen und Lösungen
Die Gesundheitsversorgung steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Dennoch gibt es für die stationäre und ambulante Versorgung sowie den Rettungsdienst konkrete Planungen. Dazu gehören die Fortschreibung des Krankenhausgutachtens, die Unterstützung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) und der Ausbau des Rettungsdienstes.
Wie stellt sich die aktuelle Situation im Einzelnen dar, wo liegen die Herausforderungen und wie werden diese angegangen?
Stationäre Versorgung
Das gemeinsam mit dem Freistaat Bayern, dem Land Baden-Württemberg, dem Landkreis Ravensburg und den Trägern der Kliniken in Auftrag gegebene Gutachten kam im Herbst 2024 zu einem eindeutigen Ergebnis: Ein Standort für die drei fusionierten Kliniken im Raum Hergatz. Das Ergebnis des Gutachtens wurde im Lindauer Kreistag sehr positiv aufgenommen. Allerdings legte der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha überraschend ein Veto ein. Der Austausch mit dem Landkreis Ravensburg ist aber nach wie vor eng und die Oberschwabenklinik bleibt ein wichtiger Partner. Dies betonte Landrat Elmar Stegmann bei dem Treffen. Er berichtete auch von einem gemeinsamen Gespräch mit dem Ravensburger Landrat Harald Sievers und dem Friedrichshafener Oberbürgermeister Simon Blümcke.
„Wir lassen uns nicht entmutigen und arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung“, betont Landrat Elmar Stegmann. „Aufgrund der Absage aus Baden-Württemberg müssen wir das Gutachten unter den neuen Rahmenbedingungen fortschreiben. Wir werden hier auf die bayerische Staatsregierung wegen einer weiterhin notwendigen Unterstützung zugehen.“
Sowohl Clara Walter, Geschäftsführerin der Asklepios Klinik Lindau, als auch der Ärztliche Direktor der Oberschwabenklinik, Prof. Dr. Oliver Rentzsch, betonten, dass der Strukturwandel die Kliniken vor große Herausforderungen stellt. Dies seien zum einen der Fachkräftemangel, die zunehmende Ambulantisierung, aber auch die Krankenhausreform. Beide Häuser stellen sich auf diese Veränderungen ein und begegnen ihnen aktiv. Nicht erst seit der Schließung der Rotkreuzklinik verzeichnen beide Kliniken mehr Patienten, insbesondere in der Notaufnahme. Auch aus Friedrichshafen und Tettnang kommen immer mehr Patienten in die Asklepios Klinik Lindau.
Niedergelassene Ärzte und Notärzte beklagen immer wieder, dass Notfallpatienten, insbesondere neurologische Patienten, nur schwer stationär untergebracht werden können. In anderen Bereichen, etwa der Kardiologie, funktioniere die Unterbringung dagegen problemlos. Dies bestätigte auch Dr. Raimund Bischof, der als Vertreter des Gesundheitsnetzwerks Westallgäu teilnahm. Die Oberschwabenklinik ist ein überregionales Schlaganfallzentrum. Hier müssen Patienten unabhängig von ihrem Wohnort oder anderen Kriterien behandelt werden. Prof. Dr. Rentzsch sicherte zu, jeden Einzelfall zu prüfen, um Verbesserungen zu erzielen. Bei planbaren Eingriffen gebe es keine Versorgungsengpässe. Hier verteilen sich die Patienten auf die vorhandenen Kliniken.
Rettungsdienst
Auch hier wurde ein Gutachten erstellt. Ergebnis: Die Hilfsfristen werden auch ohne Berücksichtigung der damals noch bestehenden Rotkreuzklinik eingehalten. Allerdings kann der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung auf Basis des Gutachtens bei einer Veränderung zusätzliche Rettungsmittel beantragen. „In Verhandlungen haben wir nun erreicht, dass wir einen weiteren Rettungswagen betreiben können“, freut sich Landrat Elmar Stegmann. Dieser wird in Oberreute an der B 308 an sieben Tagen in der Woche für jeweils elf Stunden stationiert. Der neue Rettungswagen wird zunächst bis Ende September 2026 im Probebetrieb eingesetzt. Das Bayerische Rote Kreuz hat bereits zugesagt, den neuen RTW zu betreiben. Roman Gaißer, Geschäftsführer des BRK-Kreisverbandes Lindau, schilderte in der Sitzung die Herausforderung, Personal zu gewinnen und Rettungsassistenten klinisch auszubilden. Und er stellte fest, dass die Rettungsmittel viel „auf der Straße“ sind, d.h. die Auslastung ist deutlich gestiegen. Ein weiteres Problem sind die Anfahrtszeiten. Ein weiterer RTW werde die Situation verbessern, so seine Einschätzung. Positives gibt es auch vom Notarztdienstplan zu berichten: Der Dienstplan ist zu 100 Prozent besetzt. „Ich bin froh, dass wir mit dem Bayerischen Roten Kreuz einen so verlässlichen Partner mit so engagierten Mitarbeitern an unserer Seite haben“, so Landrat Elmar Stegmann.
Ambulante Versorgung
Bürgermeister Eric Ballerstedt schilderte den Sitzungsteilnehmern die aktuellen Entwicklungen in der ambulanten Versorgung in Lindenberg und im Westallgäu. So gebe es Engpässe in der ambulanten Versorgung und die Wege seien nach der Schließung der Rotkreuzklinik länger geworden. Insbesondere auch die niedergelassenen Ärzte im Westallgäu spürten den Wegfall der Rotkreuzklinik deutlich. So fehlten nach Aussage der Ärzte eine wohnortnahe Radiologie, etwa bei Knochenbrüchen, eine Notfallversorgung mit chirurgischen Leistungen und ein Dienst, der am Wochenende entlastend wirke. Die Stadt Lindenberg hat deshalb gemeinsam mit der OSK und der Schwesternschaft des Bayerischen Roten Kreuzes ein Gutachten für ein MVZ in Auftrag gegeben. Demnach könne ein solches MVZ an den Wochentagen wirtschaftlich betrieben werden, mit erweiterten Öffnungszeiten jedoch zumindest vorerst nicht. Als maximales Defizit wurden 530.000 Euro genannt.
Ein solches MVZ sei in Lindenberg geplant. Es könne aber keine Notaufnahme ersetzen. Landrat Elmar Stegmann kündigte in der Sitzung an, dem in dieser Woche tagenden Haushaltsausschuss vorzuschlagen, vorsorglich einen namhaften Betrag für eine Anschubfinanzierung durch den Landkreis in den Kreishaushalt einzustellen. Die Voraussetzungen für eine Auszahlung müssten allerdings noch definiert und geprüft werden, da hohe rechtliche Hürden zu überwinden seien. Eine entsprechende Anschubfinanzierung wird auch im Stadtrat der Stadt Lindenberg diskutiert.
Oliver Legler vom Kommunalbüro ärztliche Versorgung im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit beantwortete die zahlreichen Fragen zu einem möglichen MVZ. Er wies darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine Pflichtaufgabe der Kommunen handele und diese mit dem Betrieb eines MVZ in einen bestehenden Markt mit hohem Ressourcenaufwand und großen wirtschaftlichen Herausforderungen eingriffen. Daher sei die Zahl der MVZ in kommunaler Trägerschaft in Bayern verschwindend gering. Grundvoraussetzung für ein MVZ sind immer Arztsitze. Der kleinste gemeinsame Nenner für eine Gründung seien zwei Ärzte, so Sebastian Eckert, Referent für regionale Versorgung und Politik bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Er empfiehlt, mit diesem kleinsten gemeinsamen Nenner zu starten.
Der Chirurgensitz des ebenfalls insolventen MVZ Allgäu Bodensee steht nach Angaben der Schwesternschaft grundsätzlich für eine Nachbesetzung zur Verfügung. Hierzu müsste die Schwesternschaft nun zeitnah einen Antrag auf Nachbesetzung bei der Kassenärztlichen Vereinigung stellen. Über die Nachbesetzung entscheide dann der Zulassungsausschuss, so Sebastian Eckert.
Ausblick
Die Fortschreibung des Krankenhausgutachtens wird als dringend erforderlich angesehen. Der Freistaat Bayern wird um finanzielle Unterstützung gebeten, um die stationäre Versorgung im Westallgäu zu sichern.
Ein zusätzlicher Rettungswagen wird kurzfristig in Betrieb genommen, um die Notfallversorgung zu verbessern. In der ambulanten Versorgung wird der Landkreis weiterhin als Vermittler agieren, um Lösungen zu entwickeln, die auch die niedergelassenen Ärzte entlasten.
„Es gibt keine einfachen Lösungen, sonst wären sie längst umgesetzt. Uns alle eint das Ziel, tragfähige und nachhaltige Lösungen zu schaffen“, so Landrat Stegmann abschließend.
Nachtrag Haushaltsausschuss
Der Haushaltsausschuss des Landkreises hat am 6. Februar einstimmig entschieden, im Haushalt 2025 300.000 Euro für eine MVZ-Anschubfinanzierung aufzunehmen. Verabschiedet wird der Haushalt 2025 am 27. März im Kreistag.