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26.10.2023

Zu den Hügeln abgetaucht

Lindau (Bodensee) - Zum siebten Mal sind Taucharchäologen vor Lindau und auch vor Wasserburg im See abgetaucht. Dieses Mal hatten sie die Hügel vor Reutenen und Bad Schachen im Visier. Doch was hat es damit auf sich? Gemeinsam mit dem Heimatkundlichen Dokumentationszentrum des Landkreises Lindau und dem Historischen Verein Lindau laden jetzt die Taucharchäologen zu einem öffentlichen Werkstattbericht am Freitag, 3. November, ab 18 Uhr in St. Josef in Lindau ein.

Ihre große Leidenschaft ist die Unterwasserarchäologie und dafür arbeiten sie stundenlang bei einer Wassertemperatur von 13 Grad Celsius und weniger. Dabei geht es ihnen nicht so sehr darum, spannende Einzelfunde zu machen – „auch wenn die mitunter toll sind“, wie Forschungstaucher Tobias Pflederer sagt – sondern eher darum, die „Geschichte dahinter“ zu entschlüsseln. Er und seine Kollegen haben auch den ältesten Einbaum Bayerns aus dem 12. Jahrhundert vor Christus sowie eine Schädelkalotte aus dem 10. bis 9. Jahrhundert vor Christus vor Wasserburg geborgen und waren jetzt im siebten Jahr in Folge vor Ort. Ehrenamtlich und in ihrer Freizeit, mit der eigenen Ausrüstung.

Im Zentrum ihrer Untersuchungen stehen seit drei Jahren die Unterwasserhügel vor dem bayerischen Bodenseeufer, dieses Mal vor Reutenen und Bad Schachen. Die in Absprache mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege gestellte Aufgabe: Die unterwasserarchäologische Untersuchung und Dokumentation der Hügel, von denen zwischen Wasserburg und Lindau mindestens 25 Exemplare bekannt sind. Mehr als 200 solcher Steinschüttungen wurden bei einer Untersuchung des Instituts für Seenforschung im Jahr 2015 insgesamt am Bodensee dokumentiert – zuvor waren die Hügel, die sich teils wie auf einer Perlenschnur aneinanderreihen, unbekannt. Die meisten gibt es in der Schweiz zwischen Romanshorn und Altnau, wo die Medien den Begriff „Stonehenge am Bodensee“ geprägt haben. Die Hügel sind nach Angaben von Dr. Martin Wessels vom Institut für Seenforschung ein bis zwei Meter hoch, am bayerischen Seeufer wohl nur 20 Zentimeter, es handle sich „also eher um Fladen als um Hügel“.

„Die schweizerischen ,Hügeli‘ des Bodensees befinden sich heutzutage 200 bis 300 Meter vom Ufer entfernt auf einem Höhenniveau der Hügelkuppen zwischen 390.8 und 392.7 Meter über Normalnull. „Die Exemplare vor dem bayerischen Bodenseeufer weisen ähnliche Höhenniveaus wie die schweizerischen Hügelkuppen auf, wirken aber – bis auf wenige Einzelstücke – kleiner und flacher“, sagt Tobias Pflederer. „Nimmt man einen bislang minimalen Wasserpegel des Bodensees von 393 Meter über Normalnull an, so dürften sich die Steinschüttungen zu jeder Zeit unter Wasser oder (bei saisonalen Schwankungen) allenfalls knapp oberhalb der Wasserlinie befunden haben.“ Die Archäologen gehen davon aus, dass die Hügel menschengemacht sind. Ihre Funktion ist aber immer noch ein ungelöstes Rätsel. Die Ideen zur Interpretation reichen von kalendarischen und astronomischen Anlagen, von Ankerplätzen und Bereichen des Totenkults bis hin zu Siedlungsplätzen oder Funktionen beim Fischfang. Sollten sich die Steinhügel als gleichzeitig errichtet herausstellen, wäre der Arbeitsaufwand immens gewesen.

Die Forschungstaucher um Tobias Pflederer von der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie e. V. laden nun am 3. November 2023 um 18 Uhr zu einem Werkstattbericht im Pfarrsaal von St. Josef in Lindau ein, auf dem die Ergebnisse dieses und der beiden vergangenen Jahre bei einem öffentlichen Vortrag einem breiten Publikum vorgestellt werden sollen. Dabei informieren die Fachleute eingangs und in Kürze auch über den vor einigen Jahren geborgenen Einbaum und über die Schädelkalotte aus der Bronzezeit.

Info: Der Werkstattbericht im Pfarrsaal von St. Josef in Lindau ist am Freitag, 3. November 2023, und beginnt um 18 Uhr.

Info: Von Nachlässen bis hin zu mehr als 5000 heimatkundlichen und geschichtlichen Büchern und Zeitschriften: Das Heimatkundliche Dokumentationszentrum des Landkreises Lindau in Weiler im Allgäu bewahrt Schätze der historischen und heimatkundlichen Forschung. Dazu gehören auch Kreis- und ortsgeschichtliche Sammlungen, Festschriften, Fotos, Ansichtskarten, historische und topografische Karten und Pläne, Zeitungsbände des Westallgäuers und Vorläufers ab 1854, Amts- und Regierungsblätter (ab 1803) sowie Gesetz- und Verordnungsblätter (ab 1818), Nachlässe verschiedener Heimatforscher und eine Kunstsicherungskartei mit fotografischen Bestandsaufnahmen und Beschreibung von Kircheninventaren. Wer Interesse an Heimatgeschichte hat oder Möglichkeiten zum Recherchieren sucht, ist dort willkommen und kann per E-Mail (hdz@landkreis-lindau.de) einen Termin vereinbaren oder den neuen, kostenlosen Newsletter abonnieren. Damit informiert das Heimatkundliche Dokumentationszentrum künftig über Interessantes und Neuerwerbungen.